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Ich erzähle von Filo

Ich erzähle von Filo, wie ihr das Wilde vergangen ist, weil ihr der Hund gestorben ist. Ich erzähle, dass sie diesen Hund – wenn man das so sagen kann – mit einer Affenliebe geliebt hat. Ich erzähle, dass er ihr Ein-Und-Alles war, emotional wäre sie komplett verloren ohne ihren Buzzi, ihr Buzzi sei einfach ihr Leben, hat sie noch vor ein paar Tagen gesagt und dabei die Augen aufgerissen und die Brauen hochgezogen, als ob sie mir die größte Bedeutsamkeit ihres Lebens anvertrauen würde. Wir treffen uns öfter unten am Donaukanal, weil man mit einem Hund ja Gassi gehen muss. Wobei Buzzi eh so verwöhnt war, dass er nicht in den Gassen Gassi gehen wollte, Buzzi brauchte den weichen Untergrund von Gras. Auch mit dem Gehen hat er es nicht gehabt, er war einfach ein fauler Sack, mehr als die paar Schritte bis in die Wiese waren selten drin, weswegen wir meistens nach kürzester Zeit alle drei in einem der Lokale gesessen sind, die da unten am Donaukanal schon vor etlichen Jahren aus dem Asphalt geschossen sind. Die Kellner schurln da sofort mit einem Wassernapf herbei, die Tischnachbarn können gar nicht anders, als den Hund zu streicheln, und die Mädchen rufen „Wie süß!“, und das alles, wo Buzzi genauso hässlich war wie alle anderen Bulldoggen: Babyaugen auf dem ausgefressenen Körper eines gelangweilten alten Mannes. Sehr sonderbar, worauf man stehen kann, das habe ich mir nicht nur einmal gedacht. Trotzdem tut mir Filo leid. Wie ein Häufchen Elend sitzt sie da. Als ob Buzzi ihre ganze Kraft mit ins Hundegrab genommen hätte. „Auf einmal hat er zu lächeln aufgehört“, sagt sie ein ums andere Mal und immer mit derselben Fassungslosigkeit, als müsste sie sich diesen Moment immer wieder ins Gedächtnis rufen, um ihn irgendwann auch begreifen zu können. „Auf einmal hat er zu lächeln aufgehört.“ Nur weil sie mir leidtut, höre ich mir diesen Satz mindestens hundert Mal an und beginne nicht wie normalerweise eine Diskussion über Tierliebe versus Menschenliebe. Sage ich nicht, dass nur Menschen lächeln können. Dass nur bei Menschen das Lächeln hinter den Mundwinkeln erst so richtig anfängt und dass nur eines wirklich das Leben kostet: wenn so ein Lächeln abbricht. 




Kommentare

  1. Eine traurig-schöne Geschichte über Menschen, Hunde und das Lächeln ist das.
    Danke und lieben Gruss,
    Brigitte

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