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Desertieren usw.

Auf russischer wie auf ukrainischer Seite gibt es immer mehr Deserteure. Die Kampfmoral sinkt. Ich denke an die jungen Männer auf der Flucht vor dem Krieg. Kriegsflüchtlinge. Ich denke, dass am besten alle desertieren sollten. Stell dir vor es ist Krieg und alle desertieren. Stell dir vor, die Lebensmoral steigt. Stell dir vor, wir entwerfen Fluchtrouten für die Deserteure. Stell dir vor, wir holen diese ganzen jungen Männer aus dem Krieg.

Als ich zuhause angekommen bin, war es ganz ruhig. Zuerst dachte ich, dass Ina noch immer schläft (sie arbeitet ja manchmal bis weit in die Nacht hinein), aber dann habe ich sie vor dem Bild meines Vaters gesehen. Wie vor vielen, vielen Jahren er stand auch sie ohne eine Bewegung davor. Viel kleiner als er und statt des weißen Arztkittels trug sie ein weißes Hängekleidchen, offensichtlich ihr Nachthemd, aber die Art, wie sie dastand, erinnerte mich sehr an ihn. Das Nitschbild habe ich nach dem Tod meines Vaters aus dem Haus gerettet. Meine Mutter wollte es nicht haben. Unter keinen Umständen würde diese Grausligkeit in ihrem Wohnzimmer hängen bleiben, das Bild müsse aus dem Haus und wenn ich es haben wolle: „Bitte, dann nimm es dir doch mit nach Wien.“ Nach Wien würde sowas passen, nach Wien würde sowieso alles passen, das irgendwie aus der Art geschlagen sei. Grad dass sie nicht entartet gesagt hat. Da habe ich meine Mutter so richtig gehasst. Wegen dem Bild und wegen Wien. Und wegen mir. Obwohl es wirklich extrem heiß ist und es am Land draußen mit Sicherheit viel angenehmer gewesen wäre, bin ich froh, dass ich nicht geblieben bin, bin ich froh, dass ich desertiert bin. Und heute ist ein neuer Tag. Arzttermin. Das vierteljährliche Brustblabla. Ich habe Halbzeit. Die Operation ist fast drei Jahre her, nach fünf Jahren habe ich gesiegt. Zumindest fürs Erste.


 

Kommentare

  1. Das ist viel Stoff zum Nachdenken und Reflektieren.
    Ja, alle sollten sie desertieren in diesem grauenvollen Krieg.
    Sich weigern, Brüder gegen Brüder zu kämpfen und zu morden.
    Ach, diese unerfüllbaren Wünsche...
    Lieben Gruss zum Sommerbeginn,
    Brigitte

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  2. irgendwie bin ich verunsichert..
    ich bringe deine jetzigen Geschichten nicht mit den vorigen vom eurem schönen Hof zusammen
    sind es fiktive Geschichten?
    Oder bist du nicht mehr in eurem Laden und auf dem Hof
    sehr verwirrte Grüße
    Rosi

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    1. Liebe Rosi, es gibt beides noch: das Geschäft und unseren schönen Hof. Ab und zu stelle ich auch Bilder ein, aber in der Hauptsache stelle ich zur Zeit Ausschnitte aus meinem aktuellen Schreib-Projekt ein. :)
      Liebe Grüße, Andrea

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    2. also Geschichten ;)
      dann weiß ich Bescheid..
      wird es ein Buch??
      Zum schreiben habe ich gar keine Zeit ..
      viel Arbeit im Garten
      liebe Grüße
      Rosi

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    3. Den Garten lass ich heuer tatsächlich bissl liegen. ;) Buch ... das wäre schön. Jetzt scheib ich mal drauf los, dann sehe ich weiter. :)
      Liebe Grüße, Andrea

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