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In einer Minute der Schwäche (Ausschnitt)

In einer Minute der Schwäche habe ich Georg die Geschichte von Ella erzählt und wie enttäuscht ich war, als nicht einmal Ina mich so gerufen hat. Georg, der immer noch weiß, wie es geht, hat seine Chance natürlich sofort erkannt. Erkannt und genützt: Er sagt neuerdings nicht mehr Gabi, sondern Ella zu mir. Ja, er kämpft. Wahrscheinlich hat er vor lauter Langeweile zu viel ferngesehen und da hat er wohl gelernt, dass man kämpfen muss. Ums Glück, um den Erfolg, um die Liebe, um die Schönheit, um die Gesundheit - einfach um alles. Man versteht schnell, dass nur wer kein Unglück, keine Niederlage, keine Hässlichkeit und keinen Rückfall, dass nur wer am Ende kein Nein akzeptiert, der große Gewinner sein wird. Kämpfen muss er halt bis zum letzten Tropfen (Blut oder Schweiß oder Alkohol). Georg kämpft auch, und wie es aussieht, kämpft er um mich. Kann allerdings auch sein, dass er um sich kämpft, was eh auf dasselbe hinausläuft: ‚Es ist Krieg, Baby‘, denke ich und rüste mich mit allem, das ich finde, weil ja immer nur einer der Gewinner sein kann. Oder eine. (Auch ich kenne die Spielregeln.) Ich lege funkelndes Nachtblau auf meine Augenlider und ziehe meine Lippen nach. Tiefrot natürlich. „Lieb‘ mich oder ich fress‘ dich“, sage ich in den Spiegel hinein, und der Spiegel antwortet aus alter Gewohnheit: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen über den Bergen bei den sieben Zwergen ist noch tausendmal schöner als ihr.“ ‚Wieso Schneewittchen‘, denke ich. Der Feind steht woanders.

(Die sieben Zwerge stehen inzwischen am Fensterbrett wie Gartenzwerge, die vom Stadtrand in die Innenstadt gezogen sind und jetzt nicht wissen, wohin mit ihrem Mut. Einer wirft seine Stirn besorgt in Falten und nickt immer wieder, ein anderer deutet Siegerzeichen auf die Gasse hinunter, sein Nachbar presst die Lippen so fest aneinander, als ob er gerade etwas echt Gefährliches zu unternehmen plant – er wird doch nicht hinunterspringen wollen? Der vierte steht breitbeinig da und schaut – lockere Schultern und die Hände in den Taschen –  männlich vor sich hin, der fünfte steigt dauernd von einem Bein aufs andere, was den sechsten offensichtlich so nervös macht, dass er ihm seinen Ellbogen immer wieder in die Seite rammt. Und der letzte scheint noch gar nichts mitbekommen zu haben. Er wackelt mit geschlossenen Augen langsam hin und her, er hat sich wohl ganz der Musik ergeben, die aus seinen viel zu großen Kopfhörern bis zu uns herausdringt. Vielleicht ist er aber auch nur besoffen.)




Kommentare

  1. Liebe, Kampf und Gartenzwerge - eine explosive, aber betörende Mischung, wie ich finde. :--)
    Und das Foto ist auch eine Wucht.
    Lieben Gruss in den Feiertag,
    Brigitte

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    1. Ja, da geht es ordentlich zu in diesen Geschichten, ich muss mich direkt selbst wundern! :)))
      Liebe Grüße aus meinem in deinen Feiertag! Andrea

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