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Wenn die Lichter ausgehen

Wenn die Lichter ausgehen, ist der Spaß vorbei. Blackout: Von Zimmer zu Zimmer gehen. Mit den Flügeltüren schlagen, aber nicht abheben. So hoch ist‘s nicht einmal im Wiener Altbau, als dass das geht. Das ganze Haus zittert mit, wenn draußen ein schwerer Transporter vorbeifährt. Sprünge in den Ecken, das Haus bewegt sich. Immer noch gibt der Untergrund nach. Damals nach dem Krieg haben sie die Bombentrichter nicht gut genug zugeschüttet. War ja nichts da. Kein Geld. Kein Material. Keine Männer. „Und nicht genug verdichtet“, sagt Hermann. „Die ganze Straße war voller Bombentrichter, in die kippen wir jetzt langsam zurück. Jedes Jahr ein paar Millimeter.“ Ich gehe von Zimmer zu Zimmer und schlage die Flügeltüren hinter mir so fest in Schloss, wie ich es schaffe. Bis die Nachbarinnen von unten kommen und fragen, ob eh alles in Ordnung ist. Sonst sind es nämlich die beiden, die so einen Krach machen mit ihren Partys, dass die Bässe noch bei mir heroben in den Wänden vibrieren. „Alles okay“, sage ich, „es wird schon wieder.“ Damals sind Leute unten im Stiegenhaus gestanden, haben sich suchend umgeschaut. Fremde. Ich war grad beim Weggehen. Einkaufen oder sowas. Ich weiß nicht warum, weil eigentlich ist es mir egal, wer da im Stiegenhaus umgeht, aber ich habe die Leute angesprochen. Auf Englisch sagt die eine, dass ihre Großmutter und ihre Schwestern, Männer und Kinder in der Wohnung Nummer 16 gelebt haben. Zusammengefasst worden sind tatsächlich in meiner Wohnung für den Transport. Zu fünfzehnt waren sie. Sie würde gern die Wohnung sehen. Mir ist kein Englisch und auch sonst nichts eingefallen, das ich sagen hätte können, ich habe nur ins Stiegenhaus hinaufgedeutet. Später auf die alten Flügeltüren, auf das alte Parkett. Wir schauen gemeinsam aus dem Erker. Das war ihr Blick. Ich denke an den Bauunternehmer, der hier sein Arbeitszimmer gehabt hat. Den Schreibtisch hat er sich als Erinnerung behalten, der war nämlich noch von einem SSler. Aber den Rest der Möbel, alles beste Tischlerarbeit, hat er mir gelassen.




Kommentare

  1. Lebendige Geschichte, die wach wird. Da kommen Erinnerungen hoch und auch der frühere Schrecken.
    Und der Mond schaut, hört und schweigt.
    Lieben Gruss,
    Brigitte

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