Sie hat wie immer
peinlich genau aufgeräumt, bevor sie weggefahren ist. Eine Kur wegen ihrem Rücken,
Bandscheiben oder sowas. Die meisten Jalousien sind heruntergelassen, wahrscheinlich
wegen der Hitze, trotzdem kann ich sehen, dass sie die Polster auf der Couch
aufgeschüttelt, zurechtgezupft und in der von ihr bevorzugten Reihenfolge (dem
Farbverlauf nach) aufgestellt hat. Dass die Sessel exakt am Tisch stehen, dass
die Keramikschüssel, die ihr mein Vater einmal von einem Kongress in Südafrika
mitgebracht hat, genau in der Mitte steht. Kein Obst drin, es würde ja schlecht
werden über die drei Wochen. Auch in der Küche steht nichts herum, das in
dieser Zeit schlecht werden könnte, vielleicht hätte ich mir doch etwas mitnehmen
sollen. Der Herd glänzt, obwohl es wegen der auch hier herabgelassenen Jalousien
fast dunkel ist. Sogar die Kacheln glänzen. Es riecht nach Putzmitteln. Wie im
restlichen Haus ist auch im Schlafzimmer alles genau an seinem Platz, das große
Zierkissen liegt genau in der Mitte des Bettes (immer noch ein Doppelbett), die
Überdecke hat keine einzige Falte. Alles ist wie immer, nur dass ihre Holzschlapfen
– einer genau neben dem anderen – im Vorzimmer bei den Schuhen stehen, ist anders
als sonst. Ich stecke den Hausschlüssel von innen ins Schloss, damit ich ihn
nicht verlege, und ziehe im ganzen Erdgeschoß die Jalousien in die Höhe. Ich öffne
die Terrassentür zum Garten hinaus, ganz weit, damit wenigstens ins Wohnzimmer
frische Luft hereinkommt.
Obwohl es noch
früh am Tag ist (ich bin schon um halb sieben in Wien weggefahren), ist es ziemlich
warm. Die Wiese ist frisch gemäht, da hat sie wohl den Nachbarn drum gebeten,
der ihr sicher auch die Blumen gießt. Statt im Haus verteilt zu sein, stehen die
Töpfe wie ein Häufchen Elend eng aneinander gepresst unter dem Vordach der Terrasse.
Drei kleine Schritte und ich habe die pralle Sonne im Gesicht. Es ist heiß. Ich
streife mir die Sandalen von den Füßen und lasse sie liegen, wie sie gefallen
sind, wie eine späte Rache, ein spätes Aufbegehren. ‚Ein zu spätes‘, denke ich,
und gehe barfuß in den Garten hinaus. Im Schatten ist es kühl und das Gras ist noch
nass. Ich schließe die Augen. Es riecht nach Gras und nach den Rosen, die bis
in den letzten Gartenwinkel wie verrückt blühen. Dass eine wie meine Mutter
eine Hand für Pflanzen hat, passt eigentlich gar nicht. Außer sie läuft heimlich
in der Nacht im Garten herum und schafft ihnen an zu wachsen und zu blühen,
weil sie sonst eine ganz große Portion Lagerhausdünger verabreicht bekommen. Vermutlich
arbeitet sie eh genauso. Mit viel Dünger. Und der neue Mann hat ja sicher gewusst,
was es da so alles zu kaufen gibt. Der war überhaupt praktisch, weil er ihr
dann auch endlich ein Biotop gebaut hat. Schaut aus wie echt, ist aber nur eine
Betonwanne mit bepflanzter Uferzone. Das war günstiger als eine Teichfolie und
hält auch länger. Hält für die Ewigkeit. Aha. ‚Ihr Jungbrunnen‘, denke ich und setze
mich auf den kleinen Steg. Ich hänge meine Beine ins Wasser, hebe sie abwechselnd
in die Höhe und lasse sie mit einem Platschen wieder zurückfallen. Ein Vogel zwitschert
laut und so nachdrücklich, als ob er mir etwas mitteilen wollte, eine ziemlich große
Libelle fliegt immer wieder knapp an meinem Kopf vorbei, ich bin in ihr Revier
eingebrochen. Im Wasser treiben noch ein paar Halme vom letztjährigen Schilf,
auf ihnen sitzen kleine, blaue Libellen, und die kleinen Inseln, die mit starrem
Blick im Wasser stehen, sind Köpfe von Fröschen. Ich starre eine Zeitlang
zurück. Die Sonne ist nicht mehr so heiß, sie liegt jetzt angenehm warm auf
meinem Rücken, weil ich im Halbschatten des Haselnussstrauches sitze. Den
Haselnussstrauch gab es schon in meiner Kindheit, ich glaube, dass der immer
schon da war. So friedlich kann die Welt sein, denke ich. Und: Es gibt nichts
Schöneres als so eine friedliche Welt.
Die friedliche Welt auf dem Land im und ums Mutterhaus lässt du wunderbar lebendig werden für uns.
AntwortenLöschenEinen lieben Gruss zur neuen Woche,
Brigitte
Danke, das ist für mich ja oftmals nicht so abzuschätzen, ob diese Weit, die ich da "herbeischreibe" dann in einer/m Leser/in auch entstehten kann
LöschenLiebe Grüße aus der Hitze!
Andrea