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Heimkommen

Die Wohnung ist heiß, als ich heimkomme. Stickig. Ich öffne sofort die Fenster, viel besser ist die Luft von draußen auch nicht. Ob man den Krieg riechen kann? Ich meine so wirklich, so wie ich den Regen riechen kann, Stunden bevor er eintrifft. Oder den Schnee. Liegt Krieg in der Luft, also in unserer? Die Nachbarin von oberhalb ist gestorben. Als ich weggefahren bin, habe ich ihre Tochter getroffen. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann Unmengen von großen Blumentöpfen aus der Wohnung geholt und mir erzählt, dass die Mutter vor einer Woche gestorben ist. Demenz. „Jetzt hat sie es hinter sich.“ Die Tochter hat dieselbe freundliche Art wie ihre Mutter. Wie ihre Mutter gehabt hat. Schon seit einigen Monaten habe ich sie nur noch selten getroffen und ich hatte auch da schon das Gefühl, dass mit ihr was nicht in Ordnung ist. Und beim letzten Mal, als ich sie gesehen habe, gab es eine Begleiterin, die sich aber sofort still an die Seite gestellt hat. Ich hab‘ mir gleich gedacht, dass das eine 24-Stunden-Pflegerin ist und dass da wirklich was Gröberes los sein muss. Auch weil die Nachbarin zwar immer noch so freundlich war, aber nur noch sehr aus der Ferne. Sie hat mich fast nicht mehr gefunden von dort aus. Ich bin traurig, weil die Nachbarin so einsam gewesen ist. Einsamkeitsfalten im Gesicht bis zu den Knochen hinunter. Sie hat fast ununterbrochen geraucht. Wenn ich gelüftet habe, hat es mir den Rauch von ihren Zigaretten durchs offene Fenster hereingedrückt. 

Die sieben Zwerge sind übers Wochenende nicht in meiner Wohnung gewesen: keiner hat mir den Geschirrspüler ausgeräumt, keiner die Waschmaschine befüllt. Niemand hat mir den Staub von den Regalen gewischt und niemand hat die Fenster geputzt. Keiner hat den Mistsack hinuntergetragen, keiner hat das Bett aufgeschüttelt und niemand ist drin gelegen. Filo hat leicht reden. Ja, man kann allein auch zufrieden sein. Aber glücklich? 

Heute Nacht von Georg geträumt. Werde ich den nie los? Zu einer Tür bin ich gekommen, die nicht aufgegangen ist, weil Türen wie die nie aufgehen, weil das nur Attrappen sind. Attrappen, die so tun, als ob sie Tapetentüren wären. Und dahinter sitzt der Präsident. Oder das Geheimnis. Oder der große Zauberer. Oder niemand, weil dahinter gar nichts ist. Weil das Haus dahinter zuende ist. Weil das Haus nur aus diesem Raum besteht, in dem ich grad stehe. Ein leeres Zimmer mit einer Treppe im Eck, die in Wirklichkeit nur gegen die Wand führt. Die Tür geht nicht auf, ich bin die Stiegen hinaufgestiegen und habe es versucht, sie geht nicht auf. Da spricht der große Zauberer also durch die Wände mit mir (als ob er sich für Gott hält!). Ich frage ihn, aber seine Antwort ist einfach keine Antwort. Ich will ein Gut oder Schlecht, höre aber nur ein Sowohl-Als-Auch und da höre ich sofort auf mit dem Zuhören. Alles was recht ist. Um mir anzuhören, was ich eh schon längst weiß, brauche ich das ganze Theater wirklich nicht. Wer nicht hören will, muss fühlen (Wer hat das gesagt?), das ist mir gleich nach dem Aufwachen eingefallen und jetzt hab‘ ich Angst, dass ich mir irgendwas Psychosomatisches einfange. Verdammte Träumerei. 




Kommentare

  1. Das mit dem Träumen kann wirklich total nerven, da ist man glücklich, wenn der Morgen anbricht.
    Und das mit der Nachbarin berührt. Meistens denkt man hinterher, dass man sich viel zu wenig gekannt hat...
    Danke für die Gedankenschleifen.
    Und lieben Gruss,
    Brigitte

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    1. Träume haben ja oft zwei Gesichter, sozusagen. Eines davon nervt meistens! :)
      Liebe Grüße, Andrea

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