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Hermann trifft sich wieder mit Lisa

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Er trifft sich wieder mit Lisa, und ja, damit hat mein Hermann mich dann schon wirklich überrascht. Und auch nicht gerade am richtigen Fuß erwischt. Weil einen Mann nicht haben wollen und ihn bei einer anderen wissen zu müssen, das sind zwei Paar Schuhe. Also ich hab‘ fürs Erste schon kurz schlucken müssen. Er sei ihr zufällig in der Postgasse begegnet: Er ist grad aus der Fleischhauerei gekommen und da hat sie sich genau gegenüber im Schanigarten vom Engländer nach einem freien Platz umgeschaut. Da hat er sein Leberkässemmerl natürlich nicht ausgepackt, sondern ins Sackerl zu den anderen Sachen gesteckt. „Dass ich freie Hände habe und einen leeren Mund!“, hat er gelacht. „Weil man mit vollem Mund nicht spricht.“ Verdammt siegessicher hat er gelacht, als er mir das erzählt hat. ‚Na geh, was du nicht sagst‘, habe ich gedacht und weil er das mit den Händen gesagt hat, ist mir wieder eingefallen, was Ina einmal erzählt hat. Ob diese Lisa das auch vergessen hat über die vielen Jahre? „Und du findest das eine gute Idee?“, sage ich zu Hermann, und ohne es wirklich zu wollen, habe ich dann noch angehängt: „Hast du dich jetzt besser im Griff?“ Er: „Was meinst?“ Ich: „Na wir wissen doch, warum es nicht geklappt hat mit dir und der Lisa.“ Er: „Was meinst du da jetzt genau?“ „Verdroschen hast du sie.“ Ja, ich habe das tatsächlich gesagt. Als ob ich mich selbst überrannt hätte. Als ob die Wahrheit mit mir durchgegangen wäre, ist das einfach aus meinem Mund gekommen. Das Schweigen ist der Deal!, ruft es irgendwo in mir drin, aber es ist zu spät. (Es ist Krieg, Baby!) Gesagt ist gesagt. Was liegt, das pickt. Hermann schaut mich ganz entgeistert an („Spinnst du?“) und ich habe zurückgeschaut: „Schau nicht so, du hast sie nach Strich und Faden verdroschen und das nicht nur ein Mal. Ina hat mir alles erzählt.“ „Ach so, Ina“, hat er gesagt. „Da kenn‘ ich mich aus. Ina ist eine Schlampe. Das hab‘ ich dir schon oft gesagt. Aber dass sie auch noch lügt wie gedruckt …“ Dass das an Verleumdung grenze und dass ich doch nicht so blöd sein könne, dieser Person alles zu glauben. Schließlich würde ich ihn doch kennen und – Hand aufs Herz: hätte er auch nur ein Mal die Hand gegen mich erhoben? Ja wäre er auch nur laut geworden? Ein einziges Mal? Nein, hat er nicht. Ist er nicht. Ich bin aber auch nicht Lisa. „Lass gut sein“, sage ich. Schließlich ist Lisa erwachsen und muss selbst wissen, was sie tut. ‚Oder sich tun lässt‘, denke ich, obwohl mich das Ganze doch wirklich nichts angeht. Das Hendl, das er in der Postgasse gekauft hat (eine erstklassige steirische Poularde, kann man dort bestellen, die beste in Wien!), hat er am nächsten Tag zerlegt und dann ist sie da (er zeigt auf einen Griller, der hinter der Veranda steht) gegrillt worden. Ich möchte fragen: Wer, die Poularde oder Lisa? aber ich habe es bleiben lassen. Es war mir zu mühsam. Schließlich hat es schon weit über dreißig Grad gehabt. Was geht mich der Hermann an? Muss er mich was angehen, nur weil ich einen heißen Sonntag in seinem Garten verbringen will? Und wenn Lisa so blöd ist, zu dem zurückzugehen, ist das ihr Problem und nicht meines. Trotzdem ist ein ungutes Gefühl zurückgeblieben. Auch wegen Ina, weil er so schlecht über sie geredet hat und ich nichts gesagt habe. Es war einfach zu heiß. Und dann hat Hermann auch wieder „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ gesagt und dazu von einem bis zum anderen Ohr gegrinst, da habe ich gewusst, dass er diese Lisa eh schon längst wieder in der Tasche hat. Ich bin dann schon am frühen Nachmittag, in der größten Hitze nachhause gefahren. Es ist einfach keine gute Stimmung mehr aufgekommen, auch wenn wir uns beide bemüht haben, um das Schweigen herumzureden. Oder weil wir uns so bemüht haben, um das Schweigen herumzureden. So schnell wächst kein Gras der Welt und so ist dann mitten in dem herrlichen Gartengrün und dem Rot und Rosa und Blau und Gelb der Blumen diese Schweigestelle gelegen und ist auch noch ständig größer geworden. Wie ein wuchernder Fremdkörper ist sie zwischen uns gelegen, bis alles andere und zuletzt sogar wir uns selbst ganz fremd geworden sind und wir nicht mehr gewusst haben, was wir miteinander reden sollen.

(...)


 

Kommentare

  1. Spannende Konstellationen. Und ja, manchmal kann das Schweigen wie eine unsichtbare Mauer zwischen einem stehen und jede Annäherung vereiteln.
    Da denke ich jetzt noch ein wenig darüber nach...
    Lieben Heutegruss,
    Brigitte

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    1. Danke für deine so verlässliche (und nicht schweigende ;) ) Begleitung meiner Textausschnitte! :)
      Liebe Grüße aus einem heißen Tag! Andrea

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