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Ina zieht bei der Ich-Erzählerin (Gabi) ein

Ich war noch nicht lang zuhause, da ist Ina plötzlich vor meiner Tür gestanden. „Überraschung!“, hat sie gerufen und ihre Arme in die Höhe geworfen, als ob sie aus einer Torte gesprungen wäre. Ich habe trotzdem die große Reisetasche neben ihr am Boden stehen gesehen. Und dahinter die Holzbox, in der sie ihr ganzes Schmuckzubehör transportiert. Zurück zu ihren Eltern aufs Land gehe sie sicher nicht, sie würde in Wien bleiben. Auf jeden Fall und trotzdem. Trotzdem? „Komm erst einmal herein.“ Sie lässt die Reisetasche und die Holzbox im Vorzimmer stehen und geht gleich weiter ins Wohnzimmer. „Immer wieder schön bei dir!“, sagt sie mehr zu sich als zu mir, und da weiß ich, dass sie bei mir einziehen will. Schon wie sie mit ihren Blicken über die Möbel streift. Als ob sie in Gedanken schon umzustellen beginnt. Sie lässt sich auf die Couch fallen. „Echt gemütlich!“ Ich stehe immer noch in der Tür, „Was ist los?“, frage ich endlich. „Der Habeler hat mich rausgeschmissen.“ „Der Habeler?“ „Ja, der Habeler, hab‘ ich dir doch eh erzählt.“ Hat sie nicht, ich habe noch nie etwas von einem Habeler gehört. „Ich war dem zu unordentlich, er hat behauptet, dass ich ihm die ganze Wohnung verwüste. Und angeblich liegen in jedem Winkel meine Sachen herum, Monate wird er brauchen, der arme Teufel, bis er das letzte Fuzzerl von meinen Schmucksachen aus seiner Wohnung draußen hat. In Wirklichkeit hat er eine Neue gefunden, da bin ich mir sicher.“ Ich frage nicht nach. Inas Geschichten sind mir zu verworren, man weiß nie, was wahr ist und was sie erfindet. Wenn überhaupt etwas wahr ist. Übertrieben ist sowieso von hausaus alles, das sie erzählt. Und das, worum es geht, muss man sich irgendwie aus dem ganzen Gerede zusammenreimen. „Magst was essen?“ Ja, Ina hat Hunger. Mir ist er vergangen. Ich schaue ihr zu, wie sie mein Abendessen (Nudelpfanne mit Pilzen von Iglo) verzehrt. Ein friedliches Bild ist das. Es ist noch gar nicht lang her, da ist Annabelle am selben Platz gesessen und hat mit derselben Bedächtigkeit gegessen. Als sie klein war, ist es aber ein Kampf gewesen, erinnere ich mich. Ihren Kakao hat sie gern getrunken, aber wenn es den Babybrei gegeben hat (so praktisch, den musste man nur anrühren), ganz egal welche Sorte, war das jedes Mal ein riesen Theater. Zusammengepresste Lippen und immer wieder mein: „Ein Löffel für die Mama, ein Löffel für den Papa, ein Löffel für die Gabi.“ Ich habe das immer noch im Ohr. „Schmeckt’s?“, Ina nickt. „Ich richte dir schnell das Bett“, sage ich, hole Bettwäsche aus meinem Schlafzimmer und verziehe mich ins Kabinett. Der Anblick der zufrieden vor sich essenden Ina hat mich wehmütig gemacht. Während ich das Bett beziehe und noch schnell das Fenster aufmache (hier hat schon länger niemand geschlafen), denke ich an Annabelle und wie sehr ich sie vermisse. Und ich hoffe, dass Ina was anderes gefunden hat, wenn Annabelle das nächste Mal auf Heimatbesuch kommt. Eigentlich halte ich das Kabinett ja für sie frei. „Männer sind sowieso überbewertet“, ruft Ina mir nach. ‚Frauen auch‘, denke ich, Und damit meine ich sie, denn ich weiß, dass mir jetzt wieder einmal eine ihrer feministischen Phasen bevorsteht, was bedeutet, dass ich es mit der Frauensolidarität zu tun bekomme. Ich werde bei jedem Blödsinn mit ihr solidarisch sein müssen, sie wird immer Recht und die Männer werden immer Unrecht haben. Das wird anstrengend. Ja, ich kenne meine Ina. „Aber sie kennt mich nicht“, denke ich. Das ist nie anders gewesen, aber in dem Moment, wo es mir einfällt, macht es mich wehmütiger, als ich es ohnehin schon bin. Vielleicht hat mein Vater Recht gehabt, dass man der ganzen Ebenbauersippe am besten aus dem Weg geht. Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, sagt sie: „Dein Vater war doch auch nur so ein Hurenbock!“ Bitte was? „Schau nicht so, das musst du doch mitbekommen haben.“ ‚Nein, ich habe nichts mitbekommen. Hör auf damit.“ (Was zu viel ist, ist zu viel.) „Wie du meinst“, sagt Ina und schiebt den leer gegessenen Teller von sich. „Trinken wir jetzt noch einen Prosecco zur Feier des Tages oder bis du schon zu müde?“

 


 

Kommentare

  1. Unmöglich, dieses "Weibsbild". - Wer bei einer solchen Nervensäge ruhig bleiben kann, scheint mir ein Engel zu sein... :--)
    Lieben Gruss,
    Brigitte

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    1. Ja, eine mühsame Person! Mal sehen, wie das wird mit ihr! :)
      Liebe Grüße, Andrea

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