(...)
Gut, dass ich die
Tage nicht im Büro gewesen bin, die Zappletal hat nämlich Corona. Hat sich wahrscheinlich
bei der Praktikantin angesteckt. Oder umgekehrt. Oder die beiden haben sich auf
eigenen Wegen angesteckt. Weil ja nicht immer alle und alles zusammenhängt. Wie
Corona und Russland, die beiden hängen ja auch nur für die ganz Verrückten zusammen.
Manche brauchen einfach überall einen Zusammenhang, weil sie sonst in ihre
Einzelteile auseinanderfallen und dann müssten sie nach ihrem eigenen Zusammenhang suchen. Und wer will das schon. Dann lieber alles andere und alle anderen zusammenkleistern
zu den wildesten Geschichten. Je wilder, umso glaubwürdiger. Sonst wäre das Ganze
ja nicht so geheim. Die echten Zusammenhänge sind eben immer die heimlichen,
die von hausaus verborgenen. Wie ein Schatz liegen sie metertief unter den Entscheidungen
der anderen. Ja, das ist auch ein Konzept. Ein leidenschaftliches Konzept ist
das, eines, das Sinn ergibt. Spursinn. Spürsinn. Lebenssinn: Man kann um die
Geheimnisse der anderen herumkreisen wie ein Planet um die Sonne. Ja, das ist auch
eine Geborgenheit, wenn sonst alles zersplittert ist. Selenskyj redet schließlich
auch vom Sieg. Noch vor dem Winter soll der sein. Bis dahin wird die Zappletal ja
hoffentlich auch wieder ins Büro kommen. Und die Praktikantin wird wieder in
ihrer Schule oder Uni sitzen, als ob nichts gewesen wäre. Als ob einstweilen
nur ein bisschen Geschichte passiert wäre. Historie, keine Geschichten, die
sich irgendwer ausgedacht hat, weil er Langeweile gehabt hat und wegen Corona wochenlang
im Hausarrest gehockt ist nur mit sich selbst. Bis es ihn zerrissen hat. Bis
dahin muss ich aber für die Zappletal mitarbeiten und hoffen, dass sie bald
eine neue Praktikantin finden. Und dass ihnen der Neue, der den Oswald ersetzen
soll, nicht abspringt. Weil neuerdings wollen die Jungen ja nicht mehr arbeiten,
sondern leben und das heißt reisen. Und das geht jetzt ja wieder. Mich könnten
keine zehn Pferde dazu bringen, dass ich von der einen Hitze in eine andere
reise und dazwischen auf irgendwelchen stickigen Flughäfen herumlungere. Sowieso
nicht und jetzt schon gar nicht, weil sie ja nicht einmal genug Flughafenpersonal
finden und deshalb alles noch länger dauert als sonst.
In der Nacht hat
es ein Gewitter gegeben, aber schon als ich ins Büro gegangen bin, war es
wieder so schwül, dass sich die Luft wie eine Mauer vor mir aufgetürmt hat. Ich
habe vor lauter Hitze die Idee, dass das Wetter auch Corona hat. Wie die Praktikantin und die
Zappletal. Dass es sich bei der Zappletal angesteckt hat, weil die natürlich
nicht in ihre Armbeuge hustet (Wie würde das denn ausschauen!), sondern in die
Luft. Man sollte dem Wetter eine Maske umbinden und es in die U-Bahn setzen. Da
könnte es dann den ganzen Tag im Kreis fahren und glauben, dass wir es auf einen
speziellen Erlebnisurlaub geschickt haben (Urlaub im Dunklen, dritter-mann-mäßig).
Und ich könnte im Büro sitzen mit offenem Fenster. Die Luft wäre luftig, wie es
sich gehört, und am Schreibtisch hätte ich Rosen stehen, die mir irgendwer geschickt
hätte, weil der Juni schließlich der Rosenmonat ist. Ich würde alle fünf
Minuten in die Luft schauen und dabei ein wenig auf meinem Kugelschreiber
herumbeißen. Ich würde meine Nase immer wieder in den Blumenstrauß stecken und
überlegen, von wem er kommt. Wie im Fernsehen käme ich mir vor, vielleicht auch
wie ein Deep Fake, aber ich wäre genauso echt, wie es die Rosen auf meinem Tisch
wären und wie der, der sie mir geschickt hat.
(...)
Schöne philosophische und vergnügliche Gedankenreise - trotz der himmelschreienden Lage.
AntwortenLöschenEinen angenehmen Tag wünscht
Brigitte
Danke! :) (Hier wirds heute ein sehr heißer Tag ... wobei es mir in dem alten Steinhaus gut geht. Da ist es immer noch angenehm kühl!)
LöschenLiebe Grüße, Andrea