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Annemie

Doch, ich war froh, dass sie gekommen ist. Sie hat extra für mich zwei Tage Prag gecancelt. Ihr Herbert sucht erst einmal allein nach einer Wohnung, sie kommt dann nach. „Wenn mit dir wieder alles in Ordnung ist.“ „Da wirst aber länger bleiben müssen“, habe ich gesagt. „Ach was, das kriegst du schon wieder hin.“ Annemie hat neuerdings was ziemlich Optimistisches an sich. Ungewohnt ist das. Ich kann mich noch nicht entscheiden, ob ich mich darüber freuen oder ob ich beleidigt sein soll. Weil der Optimismus, zumindest was mich angeht, durchaus von Vorteil ist. Für sie. Was gibt es Nervenderes, als eine ewig vor sich hin kränkelnde Freundin, die nicht weiß, was sie will. Wäre ich meine Freundin, ich würde mir auch nichts sehnlicher wünschen, als dass dieses Hin und Her endlich aufhört. Und ich hätte schon lang eine schwere Allergie, die schon bei der Nennung des Namens von diesem Georg ausbrechen würde. Meinen Schatz habe ich ihr nicht gezeigt, obwohl wir ganz nahe an der Stelle, wo ich ihn vergraben habe, vorbei gegangen sind. Mein Schatz bleibt mein Geheimnis. Wenn überhaupt, würde ich ihn nur Ina zeigen. Weil Ina ein Dorfkind ist wie ich. Am Abend haben wir Prosecco getrunken, griechischen Salat gegessen (Annemie, die Praktische, hat alles mitgebracht) und wir haben mit den Glühwürmchen um die Wette geleuchtet. Die Glühwürmchen mit ihrer Unterseite, wir mit den Zigaretten. Es war schön. Heimelig. Annemie hat mir von Herbert erzählt, dass er echt ein feiner Kerl ist. Dass sie mit ihm über alles reden könne, dass er wie sie Opern liebe, sie hätten überhaupt viele gleiche Interessen. Und auch sonst („ … du weißt schon … “) wäre alles bestens. Ja, da war sie wieder, meine Annemie. Alles, nur nicht vulgär werden. Ich glaube, sie hat noch nie in ihrem Leben ficken gesagt. Wahrscheinlich noch nicht mal vögeln. Irgendwie beruhigt es mich, dass doch auch etwas gleichgeblieben ist. Als ob sie meine Gedanken gehört hätte, hat sie dann erzählt, dass sie sich schon Bücher über Prag gekauft hat. ‚Sicher ist sie schon die totale Pragexpertin‘, habe ich gedacht und dass der Oswald meine Annemie eben doch nicht verändern kann. So ein Oswald ist ja auch kein Georg – das habe ich auch gedacht. Und mich sofort über den Gedanken geärgert. Wegen Annemie und wegen mir.

Was mit meiner Zukunft ist? „Ich hasse meine Zukunft!“

Das habe ich natürlich nicht gesagt, obwohl es die Wahrheit gewesen wäre. Ich habe vielmehr irgendwas daher geredet von der Arbeitslosen, von Ersparnissen und von verschiedenen Ideen. Dass ich zum Beispiel gern in einem Museum arbeiten würde. Im Kriminalmuseum zum Beispiel. Oder im Filmmuseum. Lieber im Kriminalmuseum. Ich habe ihr von einem Bekannten erzählt, der im Magistrat sitzt und der mir der sicher helfen könnte. Ich würde eh alles machen vom Kartenverkauf bis zur Shopbetreuung und natürlich auch Führungen. Nur keine Werbung mehr. Annemie fand das gar keine so schlechte Idee. „Wann, wenn nicht jetzt“, hat sie gesagt und wir haben auf unsere neue Zukunft angestoßen. „Siehst“, hat sie gesagt, „jetzt geht’s schon wieder“, und sie hat sich so darüber gefreut, dass ich ihr die Wahrheit einfach nicht sagen wollte. Dass mir in Wirklichkeit nämlich sämtliche Museen von Wien sonstwo vorbeigehen, weil mir in Wirklichkeit einfach alles sonstwo vorbeigeht, vorbeigeht wie wir an Georgs Jagdhaus vorbeigegangen sind. Nein, an Ritas Jagdhaus vorbeigegangen sind. Dass ich meine Zukunft jetzt schon hasse, wie ich auch meine Gegenwart und meine Vergangenheit hasse. Ich habe nichts davon gesagt, weil nichts davon besser geworden wäre. Ich hätte nur die schöne Stimmung zerstört und Annemie hätte gesagt: „Sei dich nicht immer so überspannt“, und dann hätte ich sie auch noch gehasst. Lieber bin ich mit ihr auf der Terrasse gesessen und habe in die Dunkelheit hinausgeraucht.  

 


Kommentare

  1. Nicht einfach, das Leben. Das merkt man hier deutlich. ;--)
    Mit einem kleinen Seufzer,
    Brigitte

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    1. Ja. Ganz schön kompliziert hat sich diese Geschichte entwickelt. Mein Plan, eine Art Spiegel zu dem, wie es grad läuft, "in der Welt" zu schaffen, scheint aufzugehen.
      Liebe Grüße, Andrea

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