Das Kind. Das Kind spielt
mit seiner Puppe. Zieht ihr Söckchen an. Zieht ihr eine Hose an. Zieht ihr eine
Bluse an. Zieht so lang an den Armen der Puppe, bis sie abreißen. Das Kind weint.
Die Mutter hört das Kind. Das Kind nimmt die Arme in die Hand
und hält sie zur Mutter hinauf: „Auf einmal sind sie abgerissen“, sagt es. Da
nimmt die Mutter ein Gummiband aus ihrer Nähkiste und befestigt die Arme wieder
an der Puppe. „Schau!“, sagt sie. „Jetzt ist alles wieder gut.“
Georg hat eine
Freundin. Eine Jüngere. Ina hat ihn mit ihr gesehen. „Die schaut aus wie du.
Also wie du früher.“ Ina war mit dem Habeler in der Sky Bar („Der Habeler reißt
sich jetzt echt zusammen! Es war die beste Entscheidung meines Lebens, dass ich
wirklich ausgezogen bin und nicht nur davon geredet habe. Jetzt weiß er, wie er
dran ist bei mir! Diese Männer sind doch alle gleich.“ „Bitte Ina, sag endlich,
was war denn jetzt mit Georg und dieser Frau?“) und als sie dem Habeler über
die Schulter hinüber zum Stephansturm schaut, sieht sie Georg und diese Frau. Das
war eindeutig, das kann sie mir sagen, schon allein wie Georg sie angeschaut hat.
„Also das glaubst nicht!“ Eiskaffee hat der Kellner gebracht und aus irgendeinem
Grund hat diese Frau das sehr lustig gefunden. Ihr Lachen hat man sicher bis
nach Ottakring gehört. Und Georg hat mitgelacht. „Und Rita?“ „Rita hat ihn doch
schon vor ein paar Monaten hinausgeschmissen.“ „Und das sagst du mir erst
jetzt?“ „Schätzchen, du musst auch nicht immer alles wissen, schließlich
braucht jeder Mensch ein paar Geheimnisse“, sagt Ina. „Nimm’s doch nicht so
schwer. Du hast doch eh nichts mehr von ihm gewollt. Und gut ist das.“ Da hat
sie recht. Und trotzdem muss ich sofort zu telefonieren aufhören, weil ich
jetzt ganz allein sein muss.
(...)
Ich rühre mich
nicht, während ich mir das warme Wasser über den Kopf laufen lasse. Ich will
mich ganz auf das Wasser konzentrieren, das warm an mir herunterrinnt, aber es
klappt nicht. Ich höre einfach nicht auf zu denken – dass man das eigentlich
nicht macht, heutzutage schon gar nicht. Dass ich den Wasserhahn eigentlich
zudrehen, mich einseifen und erst dann wieder aufdrehen sollte. Dass ich mich
ganz schnell anziehen und noch schneller nach Wien zurückfahren werde. Dass ich
niemandem sagen werde, dass ich wieder zurück bin. Dass ich allen sagen werde,
dass ich wieder zurück bin. Dass ich mich in mein Bett legen und nie wieder
aufstehen werde. Dass ich alles, das mich auch nur entfernt an Georg erinnert, wegschmeißen
werde. Dass ich nie wieder ein Wort mit ihm wechseln werde. Dass ich ihm meine
Meinung geigen werde, bis ihm Hören und Sehen vergeht. Ich greife nach dem
Haarshampoo und wundere mich (mitten in dem ganzen Ärger, der ganzen Wut, der ganzen
Enttäuschung – wie banal kann man sein?), dass meine Mutter so eine exklusive
Marke verwendet. Mir fällt ein, dass ich das Logo auch schon auf den Tiegeln im
Allibert gesehen habe. ‚Schau an‘, denke ich. ‚Ich könnte mir eine
Kosmetikbehandlung gönnen‘, denke ich weiter. Und eine neue Tasche, Sandalen, Sommerkleid.
‚Ich könnte mal so richtig Geld raushauen‘, denke ich. Das ist immerhin ein
Plan. Ich dusche fertig, trockne mich ab und schmeiße das Handtuch
zusammengeknüllt unter den Waschtisch. Am liebsten hätte ich – wie im Fernsehen
– mit einer Handbewegung sämtliche Tiegel, Fläschchen, Tuben, Flacons, Nagelfeilen
und Pinzetten, Wattestäbchen, auch die Zahnbürste und die Zahnpasta auf den
Boden gefegt. Aber das war mir – obwohl es ganz sicher so richtig gut gewesen
wäre – dann doch zu theatralisch.
Da scheint die Liebeswunde noch lange nicht verheilt zu sein...
AntwortenLöschenGrüsse nochmal,
Brigitte
Ja, die Arme! Aber ich habe - falls sich nicht wieder was ändert - schon ein bissl besseres Ende für sie in petto. :)
LöschenLiebe Grüße und vielen Dank mal wieder, für deine Begleitung!
Andrea