Annabelle
fährt zu Ina und ich rufe Annemie an, um mir nicht so alleingelassen vorzukommen.
Ich erzähle ihr, dass Annabelle aus Hamburg gekommen ist, eh nur für ein
paar Tage und „Stell dir vor, sie hat ihren Facharzt in der Tasche.“ Annemie freut
sich, sie weiß, wieviel Annabelle mir bedeutet, und außerdem ist sie froh, weil
sie mit ihrem Herbert schon eine Wohnung gefunden hat. Altbau, ganz zentral, drei
Zimmer, Parkett. Eigentlich ist es in Prag gar nicht so viel anders als in
Wien. Alles sei im Laufen, auch das gemeinsame Pendeln wird klappen.
Zuguterletzt seien dann doch noch alle Chefitäten kooperativ gewesen. „Ich
auch“, unterbreche ich sie, „ich bin auch kooperativ!“ Selbst das kurze
Beisammensein mit Annabelle war ausreichend: es hat aus mir in Mirnichts Dirnichts
den berühmten besseren Menschen gemacht. „Natürlich kümmere ich mich um deinen
Garten, wenn du in Prag bist. Mach‘ ich doch gern. Musst mir nur zeigen, wo die
ganzen Gerätschaften sind, wie der Rasenmäher funktioniert, worauf ich achten
soll und so weiter.“ „Bist halt die Beste!“, sagt Annemie, muss dann aber
aufhören, weil der Herbert ihr schon deutet. Sie wollen die Räume ausmessen
gehen. Wegen der Einrichtung. Sie ist so voller Vorfreude. „Man muss sich
einfach nur trauen“, sagt sie noch schnell, obwohl wir uns schon verabschiedet
haben. „Dann wird’s schon was.“ Mir ist besser, ich fühle mich nicht mehr so
allein in der Wohnung, als ob sich Annemies Freude in den Vorhängen, den Pölstern
und im Flausch vom Teppich eingenistet hätte. Wohlig, wie es sonst nur
Annabells Zwerge tun, wenn sie entspannt und zufrieden ihr Wochenende bei mir
verbringen. Annemies letzten Satz im Ohr grüble ich über die Liebe, ob sie
wirklich jeden verändert (So kryptische Äußerungen wie diesen nachgeschobenen
Satz gab’s bei Annemie früher nie!), ob das automatisch immer eine Veränderung
zum Besseren ist, ob es wirklich besser ist, sich was zu trauen. Ich denke ‚zuzutrauen‘,
aber was? ‚Die Liebe‘, fällt mir ein. Man muss sich die Liebe zutrauen, dann
wird’s schon was. Das kommt mir zwar ziemlich kitschig vor (Rosamunde Pilcher
lässt grüßen!), ich muss aber trotzdem an Michael denken. Ich mag ihn. Ich mag
seine ruhige, bestimmte Art, in die sich manchmal ganz unerwartet eine fast
kindliche Unbekümmertheit mischt, ich mag seine freundlichen Augen. Ich mag es,
wenn er „Gabriella“ sagt und „Wo wollen wir heute hingehen?“ Und ja, ich bin
neugierig, was hinter seiner förmlichen Art liegt. Und ja, ich bin froh, dass
sein Sakko auf meinem Sessel hängt. Annabelle ist es natürlich aufgefallen,
aber ich habe ihr nichts von Michael erzählt, es sei von einem Bekannten, der
es die Tage vergessen habe. Annabelle hat nur ein vieldeutiges „Aha, ein
Bekannter!“ gesagt und ich habe es dabei belassen. Ob wir zusammenpassen
könnten? Wie Annemie und der Oswald? Ina findet nach allem, das ich ihr erzählt
habe, dass die beiden offensichtlich perfekt zusammenpassen. In Wirklichkeit
hat sie allerdings nicht „perfekt“, sondern „wie Arsch auf Eimer“ gesagt und
dass das tausend Mal besser sei als „wie die Faust aufs Auge“, wie das sicher
in Kürze bei Hermann und Lisa der Fall sein würde. Auch wenn Lisa jetzt noch einen
auf häppy macht und behauptet, dass alles (wirklich alles) anders sei. Dabei müsste
es gerade Lisa so genau wie sonst niemand wissen, dass nie etwas wirklich anders
werden kann. Dass in Wirklichkeit vielmehr immer alles gleichbleibt. Vor allem
die Menschen. Vor allem die Menschen wie Hermann. Da hat Ina grad ihren grundsätzlichen
Tag gehabt, wo sie immer speziell anstrengend ist und Einwände wie „Und was ist
mit dem Habeler?“ einfach überhört. Fakt ist, dass Annemie perfekt zu Herbert
und Herbert perfekt zu Annemie passt. Warum? Weil sie es wollen. Und weil sie
nur dieses Wollen interessiert. Weil ihnen das, das sie nicht wollen, sonstwo
vorbeigeht. Das sage ich.
Man nimmt sich selbst doch immer, wie man ist, mit in eine neue Beziehung. Ob Liebe tatsächlich wirkmächtig sein kann, hängt sicher auch von der Bereitschaft aller ab, wirklich etwas Neues entstehen zu lassen. Fortsetzung folgt? Herzliche Grüße
AntwortenLöschenIch bin ja der festen Überzeugung, dass man sowieso immer nur der sein kann, der man ist. Ich glaube aber auch, dass man verändern kann, wer man ist, zumindest ein bisschen. Schließlich bin ich eine Optimistin! :)))) Und die Liebe spielt da schon eine ziemlich große Rolle, denke ich und meine alle möglichen Varianten von Liebe.
LöschenAn der Fortsetzung schreibe ich grad, bzw. bin ich ja schon ziemlich am Ende der Geschichte und da kommen dann etliche Erzählfäden zusammen, was das Verständnis erschwert, weil hier ja nicht alles steht, bzw. das Ganze nun ja schon recht lang läuft.
Liebe Grüße, Andrea