Ich habe Pizza bestellt, trotzdem habe ich mich weder angezogen noch gewaschen. Den Pizzaboten hat das allem Anschein nach nicht gestört. Wer weiß, was der schon alles gesehen hat. Trinkgeld habe ich ihm auch gegeben. „Sonntagszulage“, habe ich gesagt und freundlich gelächelt. Ich weiß nicht, ob er das verstanden hat – seinem vagen Nicken nach eher nicht –, aber das Geld hat er auf jeden Fall verstanden. Ich lege den warmen Karton auf den Tisch. Ich werde auch die Reisetasche nicht auspacken. Und die Wäsche, die seit über einer Woche am Wäscheständer hängt, werde ich auch nicht abnehmen. Aber ein Fenster mache ich auf, die Luft ist mir sonst zu dick nach den ganzen Tagen, in denen hier niemand war. Auf der Straße ist alles ruhig. Sonntag. Annabelle ist ein Sonntagskind. Wie ich auch. Tatsächlich sind wir beide an einem Sonntag geboren, sie im Dezember, ich im Herbst. Ich rechne nach, wie viele Jahre uns trennen. Eigentlich müssten wir beide Glückskinder sein. Ich rechne auch nach, vor wie vielen Jahren genau mein Vater gestorben ist. Das war auch ein Sonntag. Ein heißer Tag ist das gewesen. Hochsommer. Ich denke an meinen Krebs. Denke, dass er womöglich die ganze Zeit wie ein blinder Passagier mit mir herumreist. Ich denke: ‚Mein Lieber, ich bin nicht der Eisblock, ich bin die Titanic. Such dir wen anderen, wenn du überleben willst!‘ Ich erinnere mich an die Hände der Krankenschwester, die sich mit Handschuhen vor meinem von der Chemo vergifteten Körper schützen musste. Ich denke, dass ich eine Bucketliste schreiben könnte, aber umgekehrt, also mit den Dingen, die ich bis zu meinem Tod nie wieder in mein Leben lassen werde. Ganz oben wird Georg stehen. Dann Hermann. Dann das Büro. Dann Pizzabestellen, denke ich, als ich den Karton öffne und das erste Stück von diesem labbrigen Etwas in der Hand halte. Ich schalte das Handy ein: meine Mutter („Da schaut’s ja aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Wenn du schon kommst, wenn ich nicht da bin, dann hinterlasse bitte wenigstens alles so, wie du es vorgefunden hast!“), Georg („Das ist mein letzter Versuch“), Ina („Schätzchen, melde dich doch!“). Sonst nichts. Ich denke an meine Bucketliste und schreibe eine Nachricht, aber nicht an Georg, sondern an Michael. Schließlich ist es sein Sakko, das in meiner Wohnung hängt. Und es ist Sonntag. Michael müsste Zeit haben. Am Wochenende geht niemand in die Insolvenz, braucht niemand einen Insolvenzverwalter, hat auch ein Insolvenzverwalter Zeit für – zum Beispiel für mich. „Micha“, schreibe ich. „Ich hätte ein Stück Pizza für dich und dein Sakko habe ich auch.“
. Aus irgendwelchen Gründen kann ich hier keine Fotos mehr hochladen. So habe ich einen neuen Blog gestartet, wobei ich mich dort noch ganz schön herumplage ... Aber hier: Andrea Heinisch, der Blog – Fotos, Texte und Neuigkeiten von Andrea Heinisch (wordpress.com) geht es weiter! Davon abgesehen bin ich jedoch wie jeden Sommer ohnehin schwer beschäftigt: Nach den ganzen Beeren müssen nun Tomaten, Gurken, Zuccini, Paprika, Lauch, ... verarbeitet werden, und Besuch findet sich hier auf unserem Hof ja auch immer wieder ein. Alles andere muss dazwischen passieren. :) Liebe Grüße, Andrea
Tja, es ist so eine Sache mit den Glückskindern. Das Glück bekommt Dellen und muss immer wieder neu erkämpft und herbeigesehnt werden...
AntwortenLöschenEinen lieben sonntäglichen Gruss nach Wien,
Brigitte
Ja, und doch ist es viel schöner, wenn es einem einfach so in den Schoß fällt! :)))
LöschenIm Zweifelsfall nehme ich aber beides! :)
Liebe Grüße, Andrea
Habe zwei Sonntagskinder und ein Silvesterkind - ob's ihnen Glück gebracht hat? Habe noch nie darüber nachgedacht, könnte sie aber mal fragen;) Ob mit oder ohne Michael: Wünsche dir einen feinen Sonntag. Liebe Grüße
AntwortenLöschenIch vermute ja, dass sowas nur Glück bringt, wenn man es glaubt. ;)
LöschenDir auch einen schönen Sonntag! (Hier ists nach wie vor herbstlich, aber die Sommerhitze liegt ja angeblich schon in den Startlöchern! :) )
Liebe Grüße, Andrea