Direkt zum Hauptbereich

Pfingstsonntag

 Von einem orkanartigen Sturm angekündigt und begleitet hat sich in der Nacht über Wien ein Gewitter entladen, das sich echt mehr als gewaschen hat. Zwei Fenster hat es mir aufgedrückt und der Regen hat mir das Wohnzimmer unter Wasser gesetzt: mitten in der Nacht den Boden aufwischen, sich beeilen, damit das Parkett keinen Schaden nimmt, dann bemerken, dass sich der Teppich vollgesogen hat. Den Teppich ins Bad schleppen (Wie schwer so ein Wasser ist, wenn es im Flor festsitzt!), über die Badewanne hängen. Immer wieder durch die Wohnung laufen, ob eh alle Fenster geschlossen sind. An Kugelblitze denken und dass sie einfach so hereingerollt kommen können, während die grellen Gewitterzacken am Nachthimmel stehen. Und wenn das jetzt der Krieg wäre, wenn es heute Nacht den Krieg in mein Wohnzimmer geweht hätte, wenn er mir die Fenster aufgedrückt und mit lautem Kriegsgeschrei in meine Wohnung gestürmt wäre. Und in die Wohnung unter mir und in die über mir. Und neben mir. Und am Himmel stünden Feuergarben und die Sirenen hätten geheult. Und nun, wo die Sonne wieder am Himmel steht (vollkommen unbeeindruckt von dem Treiben auf der Erde und sonstwo), wäre die Stadt durchlöchert und zerfurcht, und die Sirenen würden immer noch heulen. „Wenn der Krieg kommt, ziehe ich aufs Land“, sage ich zu Annemie, als ich mich mit ihr zum Mittagessen verabrede. Es ist Sonntag, Pfingstsonntag, die Sonne scheint und wir haben Frieden. Der Krieg ist woanders und niemand hat etwas davon, wenn wir unser Leben nicht leben. Was eh nicht anders ginge, denn wie sollte ich das Leben von jemand anderem leben? Oder kann man zwei Leben leben: den Krieg im Kopf und den Frieden unter den Füßen? Annemie findet mich sophisticated, also sie sagt ‚sophisticated‘ und meint ‚überspannt‘. „Ja“, sagt sie, „fahren wir aufs Land. In Wien hat heute eh alles zu und ein bisschen Landluft wird uns nicht schaden.“ Ich bin mir da nicht so sicher.




Kommentare

  1. ohh..
    das war aber keine schöne "Überraschung"
    aber anders als im Krieg scheint die Sonne wieder
    und alles ist gut
    den Krieg habe ich auch im Kopf..ob ich will oder nicht :(
    noch einen schönen Pfingsmontag
    Rosi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke! Auch dir noch einen schönen Rest-Feiertag!
      Liebe Grüße, Andrea

      Löschen
  2. Gut, dass du hier überwiegend im Konjunktiv II schreibst ;)
    Hab einen fried-vollen Tag.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke! Hoffen wir das Beste, da wie dort! :)
      Liebe Grüße, Andrea

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Neuer Blog: https://heinisch622718518.wordpress.com/

 . Aus irgendwelchen Gründen kann ich hier keine Fotos mehr hochladen. So habe ich einen neuen Blog gestartet, wobei ich mich dort noch ganz schön herumplage ...  Aber hier:  Andrea Heinisch, der Blog – Fotos, Texte und Neuigkeiten von Andrea Heinisch (wordpress.com)   geht es weiter! Davon abgesehen bin ich jedoch wie jeden Sommer ohnehin schwer beschäftigt:  Nach den ganzen Beeren müssen nun Tomaten, Gurken, Zuccini, Paprika, Lauch, ... verarbeitet werden, und Besuch findet sich hier auf unserem Hof ja auch immer wieder ein. Alles andere muss dazwischen passieren.  :) Liebe Grüße, Andrea

Save The Date: Herbsttermine

. 28.8.24: "Gute Kinder", Roman, Picus, erscheint 10.9.24:  Buchpräsentation  im Leporello, Singerstraße 7 14.9.24:  Premiere der Bühnenfassung  der Guten Kinder in der  Theaterarche , Wien 25. 9., 26.9., 4.10., 5.10., 10.10, 11.10., 12,10., 22.10., 23.10. - Aufführungen 20.9.:  Präsentation der Waldviertelanthologie  in St. Leonhard/Hornerwald im Gasthaus Staar 2.10.24:  Lesung aus den Guten Kindern in Lhotskys Literaturbuffet , 18.30

Textbesprechung - Idee & Angebot

Ich habe das unlängst gemacht und es hat mir (und auch der Autorin, deren Text ich durchgesehen habe) Freude gebracht und ich habe auch viel gelernt dabei, deshalb möchte ich das auch hier einmal anbieten:  Ich schaue mir Texte an und kommentiere sie  + wenn es sich um epische Texte handelt + wenn sie bis zu 500 Wörter umfassen (kann aber auch ein Ausschnitt sein) + wenn der Verfassen / die Verfasserin mit Kritik umgehen kann (wichtig!) + und natürlich wenn ich Zeit habe und mich der Text irgendwie anspricht Ich würde dann Text und Besprechung hier einstellen - auf Wunsch auch ohne Nennung des Verfassers/der Verfasserin -, weil ich an solch konkreten Beispielen am deutlichsten zeigen kann, was (nach meinem Dafürhalten) gute Texte ausmacht. Texte / Textausschnitte gern an: aheinisch (at) aon.at Liebe Grüße, Andrea